Bild TV: Bewegtbild-Strategie für die größte Medienmarke
Sendungsbedürfnis
Smartphone und Mikrofon mögen für besonders kreative Köpfe als Waffen im Kampf um Reichweite ausreichen, die altehrwürdigen Verlagshäuser sind allerdings verdammt dazu, für den personellen Rattenschwanz abwärtskompatibel zu bleiben. Eine Video-, TV- oder Bewegtbildstrategie, wie es die Projektmanager:Innen nennen, ist im Mainstream nur durch Umschulung, Umbeschäftigung oder durch externe Berater zu realisieren. Einer dieser Berater war ich. Von den kühnen Anfängen bis lange vor dem bitteren Ende. Ein Bootcamp für Organisationstheorie. Besser als Stromberg.
Bild mit Bildern beraten
Verdientste aus dem Daten- und konventionellen Journalismus im Umfeld von Axel Springer und Bild waren eine klare Empfehlung, um die größte Medienmarke Europas dabei die Hand zu halten, wie sie einen ausgewachsenen TV-Sender vom Wunschzettel in die brutale Medienwelt gebären. Das klingt abenteuerlich, war es auch. Von Videoverarbeitunssoftware über Formatkonvertierungspipelines zur Sendeplanung bis hin zur 3D-Live-Animationssoftwaregedöns, alles sollte her. Bild TV ist Bild ist Bild ist Bild: Größer, besser, schneller, frecher, schlauer, dümmer, lauter. Mehr Reichweite, mehr Inhalt, mehr Klicks, mehr Zuschauer, mehr Geld, mehr Probleme, weniger Zeit.
Mein Auftrag war es, die Sendeplanungssoftware Octopus sinnig in den redaktionellen Alltag zu manöverieren, Verständnis zu fordern, und Leidenschaft zu sähen. Mit Konzepten, Flussdiagrammen, Vorträgen und Gesprächen trugen die Bemühungen Früchte. Kurze Zeit konnte ich, als Externer, ein eigenes Büro beziehen. Bis ich einem 80-Zoll TV-Panel weichen musste. Wenn sich die Bild auf Bewegtbild festbeißt, ist kein Platz für Sesselfurzer. Der unbedingte Wille zum Erfolg war genauso ansteckend wie hidnerlich.
Tintenfisch
Octopus gilt als eine der Koriphäen im linearen TV, wird seit Jahrzehnten weiterentwickelt, eingesetzt und sieht auch so aus. Wahrhaftig ein Ungetüm im Funktionsumfang und voller Tentakeln in der Bedienung. Welt TV nutzte die Sendeplanungssoftware ebenfalls und hatte sie seit einiger Zeit in den Arbeitsablauf integriert. Ein brachialer Unterschied zur Philosophie bei Bild, wo die Redakteur:Innen und Planer:Innen Ihre Sendungsplanung noch improvisiert mit Excel, Stift und Papier erledigten. Ehrlich gesagt, war das sehr erfolgreich und am Ende effizienter.
Doch nach dem Krieg ist jeder General. Nur, im Krieg der Reichweiten ist keine Zeit für Reflektion und Abwägung. Ein blutjunger Sender ohne Erfahrung wollte innerhalb von wenigen Monaten auf Sendung. Da war kein Platz für Experimente. Octopus ist die bewährte Lösung. So war es unsere Auftrag, mit Kreativität und Kommunikation die Menschen an die Wasserstelle zu führen, bevor sie gelernt haben zu trinken. Wenn Bild TV am Ziel ist, war das Credo, dann fließt das Wasser von alleine.
Erflogreicher Misserfolg
Und tatsächlich, bereits nach wenigen Monaten war Octopus fasst komplett in den Arbeitsablauf integriert. Die Redaktion nutzte Octopus direkt als Schreibmaschine, die Planer:Innen als Planungstool und die Techniker:Innen als Schaltzentrale.
Zuwider aller Empfehlungen der Softwareschmiede, hatte es die Bild geschafft, die Sendeplanungssoftware in einem Stil zu nutzen, den selbst die Entwickler überraschte. Der Prozess dieser Erkenntis war in Teilen frustierend für uns Berater und gleichzeitig unbezahlbar für das ganze Team. Keine Beratungsauftrag war organischer und lehrreicher als dieser.